Corona-Virus: Schule zu – Haben Arbeitnehmer Anspruch auf Lohnfortzahlung, wenn sie ihre Kinder zuhause betreuen?

Mit der Schliessung aller Schulen durch die Corona-Pandemie werden Eltern vor riesige Herausforderungen gestellt. Denn nun bleibt der Nachwuchs während der Zeit, in der viele Eltern ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, zuhause. Wie sehr die Betreuungsangebote, die die Schulen trotz Schliessung des Unterrichts weiter anbieten müssen, genutzt werden, ist zum heutigen Zeitpunkt, zwei Tage nach der Verordnung des Bundesrates vom 13. März 2020 zum Coronavirus, noch nicht klar. Es scheint aber absehbar, dass je heftiger die Corona-Pandemie über die Schweiz rollen wird (und ihr Höhepunkt ist gemäss Aussagen von Experten noch längst nicht erreicht), desto weniger werden Eltern ihre Kinder in Institutionen mit vielen Personen betreut haben wollen. Wie steht es also um den Lohnanspruch von solchen Eltern?

von RA lic. iur. Astrid Lienhart, Fachanwältin SAV Arbeitsrecht, Zürich

Unproblematisch verhält es sich bei Eltern von Teenagern und Home-Office. Denn wenn die Arbeit von zuhause aus verrichtet werden kann, ist der Lohnanspruch unverändert gegeben.

Wer selber Kinder hat, der weiss allerdings, dass es insbesondere bei jüngeren Kindern illusorisch ist, (effizient) von zuhause arbeiten zu wollen, während der Nachwuchs zuhause ist. Dies gilt umso mehr, als die Schulschliessungen infolge der Corona-Pandemie ja nicht heissen sollen, dass die Kinder nicht unterrichtet werden. Die Strukturen, welche die Schulen den Kindern auferlegen, werden während der Zeiten der Schulschliessungen aber von den Eltern gestellt werden müssen (was erfahrungsgemäss erhebliche elterliche Kapazitäten fordern kann). Zudem werden insbesondere Kinder im Primarschulalter viel elterliche Unterstützung beim Lernen zuhause brauchen. Unter diesen Umständen ist es aber nicht realistisch, von der Möglichkeit von (effizientem) Home-Office auszugehen.

In der Schweiz gilt der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“. Dieser wird nur in wenigen Fällen durchbrochen. Dazu gehört etwa die Freistellung, da dabei Arbeitgeber freiwillig auf die Arbeitsleistung verzichten. Aber auch eine unverschuldete Arbeitsunfähigkeit aus Gründen, die in der Person des Arbeitnehmers liegen (Krankheit, Unfall, Militärdienst etc.) begründen für eine beschränkte Dauer einen Lohnfortzahlungsanspruch (Art. 324a OR). Wer ein krankes Kind betreuen muss, darf maximal drei Tage pro Fall der Arbeit fernbleiben, der Lohnfortzahlungsanspruch für diese Zeit wird mehrheitlich bejaht, auch wenn eine solche Arbeitsverhinderung nicht in der Person des Arbeitnehmers begründet liegt. Eine Schulschliessung ist nun aber weder eine Krankheit des Arbeitnehmers noch seines Kindes. Diese Rechtsgrundlagen liefern daher keinen Anspruch auf eine Lohnfortzahlung.

Beim Ausbruch der Schweinegrippe im Jahre 2010 entschied das Zürcher Arbeitsgericht zudem, dass kein Lohnfortzahlungsanspruch bestehe, wenn die Kinderkrippe deswegen geschlossen seien und der Elternteil deswegen nicht arbeiten gehen könne. Auch wenn es zur vorliegenden Frage keine höchstrichterlichen Urteile gibt, so ist dennoch davon auszugehen, dass Arbeitgeber für eine längere Zeitdauer – und davon ist im Falle der Corona-Schulschliessungen leider auszugehen – nicht dazu verpflichtet werden können, den Lohn weiter zu entrichten, wenn sie dafür keine Arbeit erhalten. Das ist rechtspolitisch auch korrekt, ganz abgesehen davon, dass selbst finanzstarke Arbeitgeber dies bei der grossen Anzahl von betroffenen Eltern(teilen) und der voraussichtlich langen Dauer der Massnahme finanziell gar nicht bewältigen könnten. Zudem bestehen gegen solche Szenarien auch keine Versicherungen – eine Schulschliessung ist weder ein Fall für die Krankentaggeldversicherung noch für das Erwerbsersatzgesetz.

Der Bundesrat hat kurzfristig CHF 10 Mia an Finanzhilfen für die Wirtschaft in Aussicht gestellt. Ausgerichtet werden soll diese insbesondere via Arbeitslosenversicherung, genauer: Kurzarbeitsentschädigung. Doch bei dieser ist vorausgesetzt, dass der Arbeitgeberbetrieb einen Arbeitsausfall erleidet. Doch bloss weil ldie Schulen geschlossen werden, heisst das nicht automatisch auch, dass die Arbeit beim Arbeitgeber weniger wird. Die von den Schulschliessungen betroffenen Eltern können sich mit anderen Worten nicht darauf verlassen, via Kurzarbeitsentschädigung eine Lohnersatzleistung beziehen zu können. Der Bundesrat hat zwar noch weitere Massnahmen in Aussicht gestellt, um die Lohnfortzahlung für die Mitarbeitenden sicher zu stellen. Doch konkretisiert worden ist dies noch nicht und es ist zur Zeit noch nicht absehbar, ob Unternehmen sich mit zinslosen Darlehen eindecken werden, um Löhne zu berappen, bei denen sie keine Gegenleistung erhalten (ob dies überhaupt sinnvoll wäre, bezweifle ich). Die vom Bundesrat in Aussicht gestellten Hilfen sind mit anderen Worten kein Selbstläufer und dürfen nicht dazu führen, dass Eltern sich in einer falschen Sicherheit wiegen.

In den letzten Jahren bin ich zunehmend Anspruchshaltungen begegnet, die (mehr oder weniger) ohne zu hinterfragen davon ausgehen, dass Löhne in fast jeder erdenklichen Lebenslage weiter zu bezahlen sind. Eine solche Haltung könnte sich im Falle der Corona-bedingten Schulschliessungen als fatal erweisen. Das geltende Recht in der Schweiz bietet zur Zeit keine Rechtsgrundlage, gestützt auf die Eltern, die aufgrund der Schulschliessungen nicht mehr arbeiten gehen können, weil sie ihre Kinder zuhause betreuen müssen (bzw. wollen), einen Lohnfortzahlungsanspruch geltend machen können. Eltern sollen deshalb sehr sorgfältig abwägen, ob die Betreuung der Kinder zuhause wirklich unumgänglich ist oder ob sie unter diesen Umständen und bis auf Weiteres nicht doch die Betreuungsangebote der Schulen in Anspruch nehmen wollen.