Von faulen Eiern und Tumor-Entfernern

Rechtskraft_von_faulen_Eiern_und_Tumor-Entfernern

Debatte über die Anpassung des Revisionsrechtes: Entlastung oder Belastung für KMU?

Das Wort „Revisionsstelle“ kommt im Aktienrecht des OR beachtliche 65 mal vor, mit ausführlicher Regelung in Art. 727 ff. OR (in Kraft seit 1.1.2008). Das GmbH-Recht kommt mit 9 Erwähnungen der „Revisionsstelle“ aus, aber auch nur dank des allgemeinen Verweises in Art. 818 Abs. 1 OR, wonach für diese „die Vorschriften des Aktienrechts entsprechend anwendbar“ sind. Zusammen mit weiteren Vorschriften (zu Revisionsaufsicht, Handelsregister, einzelnen Branchen, etc.) kommt so zum Thema „Revisionsstelle“ eine ganz schöne Regelungsdichte zusammen, die zum Wust des durch KMU’s zu bewältigenden Bürokratiedschungels beiträgt. Den Gewerbetreibenden vergehen darob leider oftmals Lust und Freude am eigentlichen Gewerbe-Treiben.

Wohl stand das neue Revisionsrecht von 2008 durchaus (auch) im Zeichen der KMU-Freundlichkeit, indem kleinere Gesellschaften seither auf eine Revision überhaupt verzichten können („opting out“), oder sich auf eine „eingeschränkte“ anstatt „ordentliche“ jährliche Revision ihrer Bücher beschränken dürfen. So weit, so gut, nur …

Die nicht zuletzt antibürokratisch gemeinte Gesetzgebung von 2008 droht sich leider ins Gegenteil zu verkehren. Die im Zuge der Gesetzesrevision neu geschaffene Revisionsaufsichtsbehörde RAB tendiert zu einer eher KMU-unfreundlichen Praxisverschärfung. „Sie neigt dazu, die eingeschränkte Revision den strengen Vorschriften der ordentlichen Revision, die vornehmlich für börsenkotierte Unternehmen angelegt ist, zu unterwerfen. Sie verlangt zudem vermehrt eine absolute Unabhängigkeit der Revisionsstelle.“[1] Dagegen rührt sich Widerstand, aus gewerbenahen Kreisen, und seitens des Verbandes Treuhand Suisse (der sich aber mit dem anderen bedeutenden Fachverband Expert Suisse in der Sache noch nicht einig ist). Daniela Schneeberger (FDP/BL) hat am 20.3.2015 mit 13 Mitunterzeichnerinnen und Mitunterzeichnern die Motion „Revisionsstelle: KMU-taugliche Lösung sichern und eingeschränkte Revision verwesentlichen“ im Nationalrat eingereicht. Der Bundesrat hat den Auftrag zur Vorbereitung einer entsprechenden Gesetzesrevision abgelehnt. Das Geschäft kommt nun in die parlamentarische Behandlung.

Frank Schneider, Direktor der RAB, sieht hingegen Grund für eine Praxisverschärfung, um die Unabhängigkeit der Revisionsstellen zu wahren. Er anerkennt wohl die Bedeutung der KMU als „Rückgrat der Schweizer Wirtschaft“, sieht aber eine vornehmliche Aufgabe der Revisionsstellen darin, dass „‚faule Eier‘, das heisst überschuldete Gesellschaften, … rechtzeitig zu sanieren oder nötigenfalls aus dem Geschäftsverkehr zu entfernen“ sind, „damit kein weiterer Schaden für andere Betriebe entstehen kann“[2] – ähnlich also wie die Entfernung lebensgefährllicher Tumore zum Schutz der übrigen Organe.

Eine verschärfte Aufsichtspraxis mag mit Fokus auf die kleine Minderheit von Unternehmen in Schwierigkeiten berechtigt sein, belastet aber die grosse Mehrheit der kerngesunden Schweizer KMU über Gebühr und wirkt sich mit Blick aufs Ganze kontraproduktiv aus, nämlich wirtschaftshemmend anstatt -fördernd. Ausserdem stösst den Gewerbetreibenden sauer auf, dass sie durch die RAB in erster Linie als als potenziell „faule Eier“, eine Art latente Tumore wahrgenommen werden, vor denen es die übrige Wirtschaft zu schützen gelte. Wie die Praxis der Aufsichtsbehörde, so scheint auch ihre allgemeine Wahrnehmung der Unternehmen nicht besonders KMU-freundlich zu sein, nicht gerade der Intention des Gesetzgebers entsprechend.

Die anstehende politische Debatte um die „Revision der Revision“ könnte daher durchaus auch eine Revision der Revisionsaufsicht beinhalten, damit diese in ihrem Verwaltungseifer nicht päpstlicher als der Papst fungiere. Die RAB hat gemäss ihrem Tätigkeitsbericht 2014[3] im vergangenen Jahr rund CHF 6 Mio. gekostet (davon rund CHF 5 Mio. Personalaufwand). „Die RAB finanziert sich vollständig über Gebühren der Dienstleistungsbezüger sowie über Abgaben der staatlich beaufsichtigten Revisionsunternehmen.“[4] Wuchert da möglicherweise ein anderer Tumor, auf Kosten der „befallenen“ Organe?

Immerhin, im Juni dieses Jahres hat der Ständerat gegen den Bürokratisierungswahn Alarm geschlagen und der Motion von Jean-René Fournier (CVP/VS) zugestimmt, wonach der Bundesrat die in seinem eigenen Bericht von Ende 2013 aufgeführten Massnahmen zur Bekämpfung der Überregulierung „sofort umzusetzen“ habe. „Laut dem Bundesratsbericht übersteigen die Kosten für Unternehmen in fünf untersuchten Bereichen die Mrdgrenze: Rechnungslegungs- und Revisionsrecht schlagen mit 1,66 Mrd CHF zu Buche, die Mehrwertsteuer mit 1,76 Mrd, Arbeitssicherheit und Unfallversicherung mit 1,2 Mrd. … Unter dem Strich schätzte der Bundesrat die Regulierungskosten auf 10 Mrd. CHF“[5] (wobei allerdings dieser Kosten- die Nutzenseite nicht gegenübergestellt wurde).

Die Gewerbetreibenden und KMU bilden gerne „das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft“, hoffen aber, dass kein „Rückenmarkschwund“ eintrete infolge amtseifriger Überregulierung. Verwaltungstätigkeit muss gesetzeskonform, verhältnismässig und nach pflichtgemässem Ermessen erfolgen, was schon die Bundesverfassung vorgibt: „Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein“ (Art. 5 Abs. 2 BV), und „Bei der Zuweisung und Erfüllung staatlicher Aufgaben ist der Grundsatz der Subsidiarität zu beachten“ (Art. 5a BV). Da besteht doch einiger Handlungsbedarf, vom Bundesrat Ende 2013 erkannt und vom Ständerat und der Motion Schneeberger nun kürzlich zur politischen Umsetzung angemahnt. „Das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft“ hofft sehr darauf, dass es dabei nicht bei Lippenbekenntnissen bleibt, sondern dass die Legislative die Exekutive mit der nötigen Konsequenz „in die Schranken weisen“ kann.